Kaschieren – von der Fähigkeit zu Übertünchen

Selbst heute, mit mehreren Jahren Umgang mit Dementen, staune ich immer wieder, wie leicht sich Dritte foppen lassen und leichtgläubig Aussagen eines Dementen aufnehmen. Das gilt selbst dann, wenn sie ausdrücklich gesagt bekamen, dass die sprechende Person voll dement sei und praktisch gar nichts mehr verstehe.

Es beginnt bereits mit dem Fragen: Ja-Nein-Fragen zum Bespiel taugen gar nichts, weil mit einem Wort die Antwort erbracht ist und es nur zwei Worte als Möglichkeiten gibt.

Und doch gibt es viele, die mit lauter Ja-Nein-Fragen versuchen, ganze Diskussionen zu bestreiten und sich daraus ein Bild des Dementen zu machen. Hat Ihnen das Essen geschmeckt? Haben Sie Schmerzen? Geht es Ihnen gut? War das nicht lustig? – So oder ähnlich lauten sie – und auf deren Antworten kann man nichts geben.

Die Antworten hängen zum Teil auch davon ab, was erwartet wird. Bei einem erhofften „ja“ nickt der Fragesteller oft. Wird mit einem „nein“ gerechnet, schaut der Fragesteller manchmal finster drein. So kann man manchmal erahnen, welche Antwort man geben sollte.

Bei diesen Beispielen haben wir die Reaktionen des Dementen betrachtet. Noch interessanter ist, wie die Erkrankung anfänglich auch bei aktiver Kommunikation des Dementen unerkannt bleiben kann. Dazu müssen wir seinen aktiven Part etwas genauer betrachten.

Man kann schon mit einer kleinen Zahl von Sätzen Diskussionsbeiträge liefern, die praktisch nichtssagend sind, aber mit denen man anderen das Gefühl geben kann, man beteilige sich vollumfänglich am Gespräch.

Es sind Sätze wie

  • „Was machst Du denn gerade?“
  • „Wo kommst Du her?“
  • „Wo willst Du hin?“
  • „Bist Du fertig?“
  • „Klappt alles?“
  • „Glaubst Du?“
  • „Ist das so?

Sie können es selbst einmal probieren. Obwohl Sie mit diesen Sätzen nur Fragen stellen und keine Aussagen machen, werden Sie als ebenbürtiger Gesprächsteilnehmer wahrgenommen.

Und Sie können Ihre Präsenz in Diskussionen noch weiter steigern, indem Sie gelegentlich die Aussage eines anderen nochmals als Frage formulieren. Wenn jemand beispielsweise sagt: „Ich habe den Chef über den Unfall informiert.“. antworten Sie mit „Hast Du den Chef informiert?“ Sie werden erstaunt sein, wie dies weitere Redebeiträge der anderen auslöst – und von Ihnen ein Bild erzeugt wird, das Sie als Lichtgestalt des Gesprächs erscheinen lässt.

Und schließlich: Wenn gerade alle lachen, passt der Satz „Das ist lustig.“ in der Regel gut. Dito, wenn etwas traurig oder furchtbar ist.

Bewusst oder – in der Mehrzahl der Fälle – unbewusst behelfen sich Demente mit solchen Techniken, um im Alltag ihren kommunikativen Beitrag zu leisten – ohne dass Demenz entdeckt wird.

Auch deshalb sind es so viele, bei denen sich deren Umfeld nach Diagnose fragt, wie lange die Demenz eigentlich schon erkennbar war oder hätte sein können. Ob jemand den in einer Besprechung erörterten Sachverhalten wirklich folgen kann ist nicht immer leicht auszumachen. Wenn nicht hat er vielleicht nicht richtig zugehört oder er war gedanklich ganz an anderer Stelle.

Aus all diesen Ausführungen wird klar, dass das Erkennen von Demenz-Fällen keine einfache Sache ist.